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Der Mai (2007)
Shania Twain: "Rock This Country"

Erinnern Sie sich noch an den Discoknaller "Eine Insel mit zwei Bergen"? Ich kannte mal einen, der den gut fand. Natürlich wird man aus solchen Menschen nicht schlau. Weder durch die Art und Weise, wie sie ihre Popel essen, noch durch die Tatsache, daß sie ständig laut furzen und Norbert heißen.
Mir blieb der Sinn und Zweck von Norbert immer schleierhaft. Ich wußte nur, daß er ein Vermögen für Telefon-Sex ausgab und am Wochenende in´s Stadion ging, um sich zu prügeln. Es haute mich fast um, als er mir erzählte, er könne lesen.
"Und was liest du so" fragte ich ihn. "Playboy? Praline?"
"Zur Zeit die Biografie von Boris Jelzin" sagte Norbert und ließ einen Furz folgen, der mich sprachlos machte. Ich konnte eh nichts mehr sagen, denn es stellte sich heraus, daß der Gasometer im Laufe der Jahre bereits alle verfügbaren Biografien großer Staatsmänner und Politiker gelesen hatte, einschließlich der ungarischen.
Manche Namen, mit denen er um sich warf, erinnerten mich an italienische Vorspeisen mit Nüssen, an mexikanisches Weizenmehlgeflügel oder an eine Reifenfabrik in Honduras, aber ein paar Damen und Herren kannte ich auch.
Der Norbert. Da kann man mal sehen.
Ich jedenfalls sah ihn beim Telefon-Sex mit aufgeschlagener Biografie von Ludwig Erhard und war tief beeindruckt.
Schon komisch, wem man politisches Interesse überhaupt nicht zutraut, womit ich wieder bei mir wär. Damit Sie es gleich wissen: Für Politik konnte ich mich schon immer begeistern. Seit Jahren besuche ich Wahlkampfstände aller demokratischer Parteien und lasse mich mit Kugelschreibern, Fähnchen und Luftballons beschenken. Darüber hinaus habe ich niemals ein Plakat mit Helmut Kohl abgerissen, obwohl es an Gelegenheiten nicht mangelte. Wenn Sie also glauben, ich wüßte nicht, wer Renate Künast ist, finde ich das reichlich unverschämt.
Natürlich nimmt es mich sehr mit, was zur Zeit mit Gabriele Pauli passiert. Ich kann kaum noch schlafen. Frau Pauli (CSU) hat in einer Gartenbauzeitschrift (Park Avenue) Fotos (farbig) von sich (CSU) abdrucken lassen, auf denen sie (CSU) Winterklamotten (Handschuhe) trägt, und so diverse (4200) Reaktionen hervorgerufen. Erwin Huber (CSU) meinte "Frau Pauli ist nicht mehr ernst zu nehmen", "sie entwickele sich zur Tatjana Gsell der CSU" ließ Markus Söder (CSU) verlauten, sie stünde nicht allein freute sich Alice Schwarzer (Emma), während Keith Richards (Rolling Stones) erklärte, er habe sich die Asche seines verstorbenen Vaters durch die Nase gezogen.
Die Gabriele Pauli. Da kann man mal sehen.
Ich muß zugeben, daß ich ihren Namen erst vor ein paar Wochen zum ersten mal gehört habe. Schade eigentlich. Immerhin sitzt sie seit 1990 im Landkreis Fürth in einem Sessel und betreibt dort vielleicht eine ganz solide Kommunalpolitik, so Renate-Künast-mäßig, easy action.
Das ist sicher schön für den Landkreis Fürth. Und schön für Deutschland. Schönheit ist ja sowieso was schönes, erzählt man sich, aber ist das wichtig?
Ja, Herrschaften, das ist es. Denn gesetzt den Fall, Frau Pauli wäre eine häßliche Kuh, würde jeder Artikel, der die Dame als "schöne Landrätin" bezeichnet, eine Lüge beinhalten.
Höchste Zeit, die Frau mal zu überprüfen. Vor mir liegen zwei Fotos mit viel Pauli drauf und der Fachmann erkennt auf den ersten Blick, was los ist. Nämlich, daß die Fotos eine Frau zeigen, die 49 Jahre alt ist. Eine ausführliche Analyse sähe in etwa so aus:
Das Gesicht ist solider Durchschnitt, die Kleidung ist scheiße, aber der Haarschnitt ist nicht übel.
Vielleicht reicht dieser Platz im Mittelfeld aus, sich von anderen bayerischen Landrätinnen optisch abzusetzen, vielleicht ist Frau Pauli auch tatsächlich hübscher als Renate Künast (falls Sie die kennen) - ich würde ihr trotzdem davon abraten, sich für den Playboy auszuziehen.
Eine Frau, die wirklich schön ist, ist Shania Twain. Da stimmt einfach alles. Sie ist die Frau, die sich im Video zu "That Don´t Impress Me Much" mehr als offensiv zum Leopardenmuster bekennt und den Bianca Jagger-Gedächtnishut, aber auch Handschuhe trägt. Allerdings ist sie keine Landrätin. Was nicht bedeutet, daß sie sich politisch nicht engagiert.
Im Gegenteil: Sie ist eine renommierte Frauenrechtlerin und Vegetarierin, gibt Seminare in schmerzloser Selbstverteidigung, unterstützt hungernde Kinder mit jährlich rund 250 Billionen Dollar, spendet jedem Bedürftigen eine Niere, führt Abrüstungsverhandlungen mit Nordkorea und stoppt Tierversuche. Ihr CO2-Ausstoß ist geringer als das Bruttosozialprodukt von Paderborn und einmal im Monat fliegt sie nach Simbabwe, um dort Landminen auszubuddeln.
Kann ich mir zumindest vorstellen bei ihr.
Nebenbei macht sie auch noch peppigen Country-Pop und wir haben Mai. Wenn einem also die Frühlingsgefühle durch die Hose schießen, ist das die richtige Musik, um auf den Sommer zu warten.

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Der April (2007)
Take That: "Patience"

Ich bin jetzt 42. Ein Alter, in dem man ungefähr abschätzen kann, ob der Lebensweg, den man als Freund von Rauch und Käse einst eingeschlagen hat, etwas taugt. Mit 42 bekommt man auch ein zaghafte Ahnung davon, ob das Leben eher karriereorientiert verläuft oder ob die Interessen weiterhin bei Rauch und Käse liegen.
Wenn ich eine Bilanz ziehen müßte, ohne dabei sentimental zu werden, könnte ich nicht verneinen, daß sich in meinem Leben relativ essentielle Dinge wie der Zustand des Kontos, der Gesundheit oder der beruflichen Perspektive, immer weiter verschlechtern. Ich weiß, das ist nicht sonderlich positiv, aber keine Panik: Auf der anderen Seite gibt es auch Zuwächse zu verzeichnen.
Was zum Beispiel beständig zunimmt, sind Neurosen und Rituale. Wobei Rituale etwas sehr schönes sind. So höre ich jeden Morgen beim Frühstück zweieinhalb Plattenseiten übelste Rockscheiße, egal bei welchem Label, so lese ich meine Zeitung immer in der Reihenfolge "Sport - Duisburg - Terroranschläge", egal bei welcher Rockscheiße, und so mache ich an jedem Werktag morgens einen einstündigen Spaziergang, egal bei welchem Wetter.
Rituale folgen ihren eigenen Gesetzen. Ich weiß nicht, warum ich auf der Toilette keine Bücher und im Bett keine Zeitschriften lesen kann, warum ich beim Abräumen von Frühstückstischen jedes Teil einzeln in die Küche trage und warum ich beim Schreiben so viel saufe, aber ich spüre, das das alles richtig ist so. Saufen, um beim Thema zu bleiben, muß ich übrigens auch sofort, wenn ich ein Video von ROCKPILE aus dem Rockpalast oder Schimanski aus der Pommesbude sehe. Geht gar nicht anders. Rock´n´Roll + Schüsse = Bier. Ein Ritual der besseren Sorte. Könnte aber auch ein ganz normaler Reflex sein.
Nüchtern betrachtet ist mein Leben voll von bedeutungslosen Momenten, die ich ausgiebig zelebriere. Und es wird immer besser. Inzwischen gibt es kaum noch Minuten in meinem Tagesablauf, die nicht von irgendwelchen Ritualen veredelt werden.
Vielleicht machen sich andere Menschen keine Gedanken darüber, was man aus freudlosen Anlässen wie zum Beispiel Zahnarztbesuchen oder Umfragen in Fußgängerzonen alles herausholen kann, vielleicht schmeckt sogar die Zigarette "danach" genau wie die "davor", vielleicht spielt das alles auch gar keine Rolle, denn letztendlich sind Rituale nur die Sucht nach einer Konstanten.
Ich glaube, es war 1976, als ich zum ersten mal an einem Samstagnachmittag die Bundesligakonferenz im Radio hörte. Dieses Erlebnis, mit den Ohren, ach, was sag ich: mit Haut und Haaren live dabei zu sein, wenn in mehreren Betonschüsseln der Republik gleichzeitig die Schurken gegen die Guten kämpfen und dabei von schreienden, fiebrigen Reportern bestens mit Informa-, Emo- und Sensationen aus erster Hand versorgt zu werden, sich von der Stimmung anstecken und mitreißen zu lassen, das Radio abzulecken oder das Ding an die Wand zu knallen, war dermaßen einschneidend, daß ich dieses Zeremoniell bis heute praktiziere.
Vollkommen klar, daß der Samstag, speziell der Nachmittag, für andere Aktivitäten tabu ist.
Nichts auf der Welt kann so wichtig sein wie die Bundesliga im Radio, wo sich innerhalb von zwei Stunden entscheidet, ob die Woche gut oder scheiße war. Das meine ich ernst, schließlich ist Fußball kein Spiel. Bitte sagen Sie das Ihren Frauen.
Und von allen Ritualen ist das die Königsdisziplin.
Es ist allerdings der Gesundheit nicht sonderlich zuträglich, während der neunzig Minuten, die so ein Spiel mindestens dauert, zwei Dutzend Herzattacken zu erleiden, also spielen sie zwischendrin immer mal etwas Musik. Meistens Mel C. oder Herbert Grönemeyer, neulich aber eben "Patience" von einer Gruppe namens TAKE THAT, die bislang -das muß ich zugeben- in meiner Plattensammlung nicht stattgefunden hat. Und während "Patience" höchst lieblich durch den Äther rieselte, schoss plötzlich ein netter Mensch während des Refrains ein Tor gegen die Bayern.
Ich wünsche TAKE THAT für ihren weiteren Weg alles Gute.

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