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Der Januar 2009
Kate Perry: "Hot N Cold"

Zuerst war ich im Gazastreifen, ging dann kurz rüber nach Kabul und Hoffenheim, aber um eine halbwegs typgerechte Einleitung zu haben, dachte ich mir, daß ich Ihnen einfach mal erzähle, was mir Schallplatten bedeuten.
Eigentlich kann ich nichts dafür, daß sich die Scheiben in ihren gefütterten Innenhüllen anfühlen wie Frauen in Spitzen-Dessous und daß es genauso knistert, wenn man die Verpackung abstreift, aber so ist es nun mal. Der Umstand, daß ich vor dem Abspielen nicht nur die Nadel säubere, sondern selbige regelmäßig bei Radio Siebenmorgen austausche, geht tendenziell in die gleiche Richtung wie die Tatsache, daß ich jede einzelne LP bereits in meiner Schallplatten-Waschanlage zart durchgebürstet habe und ihnen vor ein paar Jahren im Schweiße meiner Hackfresse ein eigenes Regalsystem baute, damit sie es schön muckelig haben bei mir unter´m Dach. Das Regal verläuft über vier Meter zweigeschossig, ist durchgängig mit blauem Melamin beschichtet und macht dann einen Knick nach links. Ab da kommt ein weiteres Stockwerk in´s Spiel, die sogenannte Sampler-Terrasse, die ich relativ humorlos in die Landschaft gepflanzt habe. Rein architektonisch sieht das aus wie der Rohbau eines alten DDR-Hotels, also fröhliche Farben, viele rechte Winkel, sehr hellhörig, nur ohne Asbest natürlich.
Man sieht sofort, daß das noch echte, deutsche Wertarbeit ist. Man sieht aber auch, daß Vinyl wesentlich mehr Speicherplatz benötigt als MP3-Dateien.
Obwohl ich mit dem Ideal aufgewachsen bin, daß ein Raum erst dann schön ist, wenn Platten ihn komplett ausfüllen, gibt es immer wieder Neider, die behaupten, ich hätte zu viele. Meine Oma sagte damals: "Junge, was willst du mit so vielen Platten, du kannst doch sowieso immer nur eine hören!"
Womit sie übrigens absolut Recht hatte. Allerdings kannte meine Oma weder LITTLE FEAT noch BLACK SABBATH, von STIFF LITTLE FINGERS ganz zu schweigen. Dafür konnte sie einen sehr spirituellen Kaffeeschnaps machen.
Mona hingegen, die eigentlich am besten wissen müßte, was ihr Mitternachtsstecher für einen erlesenen Geschmack in Sachen Kaffeeschnaps und Rock hat, meint, drei Viertel meiner Sammlung wäre Schrott. Womit sie übrigens absolut falsch liegt. Aber selbst wenn es Menschen gibt, die ihre Meinung teilen und die CHARLY SCHRECKSCHUSS BAND, LUSTHANSA und KING PIN MEH scheiße finden - sie irren. Ich habe nur gute Sachen. Basta.
Allerdings, das stimmt, sind es inzwischen nicht gerade wenige Platten, die bei mir rumstehen und nicht scheiße sind. Da kann man nicht verlangen, daß man alles auswendig kennt. Und so ist auch für mich eine Wundertüte, wenn ich manchmal keck auf dem Boden herumkrabbel, die Augen schließe und blind ins Regal reingreife und mir meine Frühstücksmusik rausziehe. Neulich erwischte ich die Platte "Schweineblues die 1." von JAMING BLUES, die 1986 noch "Blues mit deutschen Texten, auf unserem Mist gewachsen" spielten und die Platte in genau dem Duisburger Studio aufgenommen hatten, in dem ich mich selbst jahrelang an "Punk mit Timingschwankungen, gebraut mit viel Promille" versuchte.
Auf der Rückseite der Platte erblickte ich einen Schweineafter und die Songtitel, die im Falle von "Tribute To Johnny Winter" und "Busenfetischist" auch gleich meine niederen Instinkte weckten. Das Backcover war okay für den Duisburger Lokalteil mit Käsebrot und Kaffee, aber das Cover ließ mich plötzlich sentimental werden. Es erinnerte mich fatal an meine eigene Vergangenheit, als ich selber im Mantel von Onkel Erich auf dem Boden lag, down to earth, recht unrasiert und ungeschnitten, bestenfalls halfzware, die Flasche Wein im Anschlag und jeder Menge echter Gefühle. Ich mein, ich war kein Blues-Arsch oder sowas, aber auch nicht gerade High Society. Mehr so Richtung Auszubildender und von daher voll in der Schußlinie der derzeitigen Finanzkrise, die mein Bruttoinlandsprodukt bereits damals schon negativ beeinflußte.
Relativ unbeeindruckt von dem Großen und Ganzen torkelten ich und meine Gang durch die Straßen von Süd-Duisburg - eine bessere Kindheit kann man sich gar nicht wünschen. Die Tatsache, daß wir laufend besoffen waren, hieß aber nicht, daß wir nicht wußten, was wir nicht wollten. Völlig gegen waren wir gegen den ganzen Atomraketenschrott. Weder im Osten, noch im Westen wollten wir auch nur eine einzige Rakete sehen. Militärschweine, die fanden wir echt uncool. Und Honecker, den Fuzzi. Wieso konnte der den Udo nicht mal singen lassen im Republikpalast, wo der doch ein Fläschchen Cognac mit hat, sehr lecker angeblich, aber am allerschlimmsten war Disco. Scheiß Musik, scheiß Leute, scheiß Tabak. Disco war echt Musik für Loser.
Das ist heute anders. Die Songs sind eindeutig besser geworden seit "Love Is In The Air" und "Born To Be Alive". Deshalb ist "Hot N Cold" von Kate Perry auch ein heißes Stück Musik und wird von mir als schön empfunden, wenn es mal im Radio läuft. Mir ist zwar nicht entgangen, daß das Stück offensichtlich konzepiert wurde, den verkrusteten Geschmackssinn der Mitt-Vierziger zu brechen, aber wenn man sowieso schon hip ist, ist einem das scheißegal. Ich tanze, wo ich will und Kate Perry macht einen guten Job. Nicht einen ganz so guten wie ihre Produzenten, aber immerhin. Ihre Frisur könnte noch etwas Wind vertragen und ich wette, daß sie Zeug aus biologischem Anbau frißt. Das hat natürlich Folgen. Wenn man ihr Video mit einer Flasche Bier in der Hand genau anschaut, stellt man fest, daß sie alles in allem zu weiße Zähne hat und sich etwas zu schnell bewegt, gemessen an Johnny Winter, JAMING BLUES und LITTLE FEAT. Naja. Vielleicht wird die Dame ja irgendwann mit einem anderen Song mal ihren wohlverdienten Hit landen.

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Der Dezember 2008
Johnny Logan: "What´s Another Year"

Heut´ Dezember, gestern Mai,
die Uhr macht ticke-tacke
schon wieder ist ein Jahr vorbei
bald sind wir tot, oh Kacke

Obwohl viel balla balla war
im Jahr zwotausendachte
hat es, oh rudi-rallala
auch eine Menge Spaß gemachte

Vom Freygang einmal abgesehen
erstählte ich den Leibe
mit Kalorien bitteschön
kredenzt vom holden Weibe

Im Januar erwarb mein Schatz
für zwei Personen Lachsersatz

Im Februar buk mein Sonnenschein
bei hundert Grad ein halbes Schwein

So merket auf, im Märzen gar
stand meine Fee mit Kuchen da

Und schmatze schmatze gab mein Purzel
mir im April ´ne Ginsengwurzel

Im Mai gebrachte meine Süße
mir Hähnchen-Döner-Frühlingsgrüße

Im Juni zog die wilde Maus
dem Kabeljau die Schuppen aus

Im Juli legte mir die Schnecke
Griesgrütz unter die Steppbettdecke

Mein Spatzi kochte im August
´ne knusper knusper Entenbrust

Dann zog mit mir mein Schnupperhase
den Wirsing durch die Schnuppernase

Oktober war´s, und Cinderella
bracht´ Schnibbelbohnen im Pastateller

Am Martinstag kam meine Puppe
mit einer schönen Rindfleischsuppe

Und Weihnachts strich die Zuckerschnute
mir Glühwein auf die Wünschelrute

China-Dingens, Klima-Kram
den Rest hab ich vergessen
Das Jahr erfüllt auch mich mit Scham
ich dacht´ ja nur an´s Essen

Ich hätte besser üben sollen
ganz locker, kritzel kritzel
Syntax, Dativ, Stiftabrollen
stattdessen aß ich Schnitzel

Und trotzdem möcht´ ich nicht verhehlen
daß die Kolumne fetzt
ich hab anstatt komplett zu stehlen
nur ein paar Zitate reingesetzt

Denn Texte ohne Halligalli
sind ritzeratze voller Tücke
d´rum steht hier soviel pille-palli
sonst wär da ja ´ne Lücke

Was würde sagen Witwe Bolte
wenn sie betrachte sich mein Werk:
"Was wohl Wilhelm Busch sein sollte,
klingt bei Ihnen wie Lindenberg."

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