LAZY COWGIRLS
RANK OUTSIDER
(USA 2000)
Um die Wirkung der Lazy Cowgirls auf den menschlichen Organismus begreifen zu können, muß man wissen, wie ein Neandertaler funktioniert.
Als Mann ist das noch relativ einfach. Männer haben ein gutes Gedächtnis. Und ab zwei Promille haben viele von uns sogar Lust, sich die Jogginghosen vollzupissen und Scheiße zu labern, einfach so, aus Spaß! Den ganz Aufrechten wächst ein Schnauzbart. Klar, daß da schonmal ´ne Hand ausrutscht. Scheiß drauf, Hauptsache, das Auto hat keinen Kratzer. Deshalb fahren Männer auch nie besoffen Golf.
Stattdessen sitzen sie mit anderen Männern bei Rudi oder im Kaisereck und hören Lieder, bei denen man die Texte versteht. Dabei geraten sie in Geberlaune und klingelingeling kommt schon der Eiermann. Das große Gefurze geht los, unterbrochen von atomaren Bäuerchen, für die sich manch braves Mädel sicher schämen würde.
Dann geht´s raus auf die Straße. Die tapfersten unseres Geschlechts haben in solch seligen Stunden eine Keule dabei. Natürlich nicht zum Vergnügen, sondern aus reiner Solidarität mit unseren Vorfahren, die haben ja auch schon Fleisch gegessen.
Was folgt, ist ein kleiner Bummel durch die Innenstadt. Hasso passt auf. Asoziale Subjekte werden beschwingt in ihre Grenzen gewiesen. Dann kriegt der Mann Hunger, überfällt ´ne Pizzeria und scheißt dem Wirt auf die Theke. Der schenkt ein, der schenkt ein, der schenkt ein - Bier is´ alle - gibt nur Wein. Abflug!
Nachdem man den Mann rausgeworfen hat, erweist der sich als fairer moralischer Sieger. Zwar blutet die Lippe wie blöd, dafür hat er dem Itaker aber mal ordentlich die Meinung gegeigt. Er zieht weiter, schießt ´ne Bratwurst tot, krabbelt auf allen Vieren in die nächste Kneipe, um sich dort noch ein Weibchen zu suchen. Vorher muß er pissen wie ein Stachelbär. Auf der Bordtoilette stößt er auf die fremde Seite der Zivilisation, findet aber noch einen brauchbaren Snack für Zwischendurch. Eine laue Minute wird ausdruckslos herumgekaut, bis sich das Gesicht verzieht und das Dessert für definitiv unlecker befunden wird. Das wiederum zeugt von messerscharfer Logik. Urinstein schmeckt auch nüchtern nicht.
Er spuckt den Brocken der nächstbesten Schlampe in den Ausschnitt und stammelt Jägerlatein, das nur er versteht. Die blöde Fotze zickt rum und will, daß der Mann die Reinigung bezahlt. Zwar sammelt er wenig später noch ein paar Pluspunkte mit dem Anbieten einer Reval Ohne, den Käfer darf er aber immer noch nicht ficken.
Frust kommt auf und der Mann wird für eine Nacht wieder zur Suppe. Eigentlich ein schönes Gefühl, aber -wie man sieht- eben wahnsinnig aufwendig in der Herstellung.
Das Ganze kann man auch viel einfacher haben: Einfach Lazy Cowgirls hören und den Weg zurück zum Urschleim gehen! Warum jetzt Urschleim? Und warum nicht Pink Floyd?
Weil es ein genitaler, hochkomplizierter Prozess ist, der vor allem deshalb bei Männern so gut funktioniert, weil Männer in der Regel genitale, hochkomplizierte Sexmaschinen sind.
Ich habe es am eigenen Genital getestet, damals in Oberhausen. Ich trank mehr, als in mir reingeht und hatte mit viel Bier inzwischen meine Pole Position erreicht. Ich war hacke wie zehn Kosaken und stand direkt vor der Bühne, auf der die mächtigen Lazy Cowgirls in mir längst verschollen geglaubte Triebe weckten. Ich sprang, ich stampfte, ich schrie, ich ruinierte meine Gesundheit. Dreieinhalb Glatzköpfe (plus anderthalb Fransenheinis) pusteten an diesem Abend alles durch die Boxen, was irgendwie mit Blut, Schweiß und Tränen zu tun hat. Hört sich an wie ´ne verdammte Übertreibung, was?
Okay. Sie spielten Rock´n´Roll. Sonst nichts. Rock´n´Roll mit einer Intensität, die lebensbedrohlich war. Sonst nichts. Rock´n´Roll, die ewig gleiche Kamelle. Der alte, tote Fisch. Die olle Grütze mit der schnellen, rechten Hand. Blöder, primitiver Rock´n´Roll. Bäh!
Aber wie sie ihn spielten, war gigantisch.
Das Publikum durchlief während dieser Messe den langen Weg der Evolution rückwärts und blieb um kurz vor elf grunzend beim Neandertaler stehen, weil es am besten zur Begeisterung paßte. Besonders die Männer unter den Zuschauern waren in Topform. Grunzlaute und auslaufender Sabber waren noch das Harmloseste.
Ein Jahr zuvor hatten die Lazy Cowgirls mit Ragged Soul ihre bis dato beste Platte abgeliefert, um mal ein wenig zu untertreiben. Es schien eigentlich gar nicht mehr möglich, diese urgewaltige Dreiviertelstunde auf Konserve noch zu toppen. Zumal der Sänger, Pat Todd, beim Smalltalk in der stinkenden Garderobe noch bemerkte, daß die nächsten Platten "akustischer" ausfallen würden. Den rüstigen Mittvierziger schien die Stones-Zunge auf seinem Shirt ordentlich abgeleckt zu haben, denn was im Jahr 2000 mit Ragged Soul und Somewhere Down The Line an Vinyl folgen sollte, sprengt alles, was selbst Hyperfans erwarten durften.
Da beide Platten gleich gut sind, entschied ich mich dafür, die eine zu besprechen und die andere zu hören.
Aber Vorsicht! Is kuhl, Mann! Man erschließt sich dieses Juwel nicht bei den ersten paar Umdrehungen, so wie man auch von der Frau, der man gerade die Zunge in den Mund steckt, nicht am ersten Abend erwartet, daß sie einem die Bude wienert.
Die Lazy Cowgirls verzichten hier auf eine zweite Gitarre, was die Rocker auf dieser Scheibe noch knarziger macht, als ohnehin schon sind. Was zählt, ist nur der spröde Beat. Wer auf Sound steht, kriegt hier Pickel. Patt Todd, der Knödelgott, knöttert sich hier mit wortgewordenen Mammutbaumkeulen in den Olymp der spermizidbeschichteten Eichelköpfe. Jeder Vokal, jede Silbe, jeder Buchstabe wird geröhrt, zersägt, zerkaut und am Ende doch wieder irgendwie zusammengesetzt, sodaß man zumindest einen Teil der Texte versteht. Es geht um Weiber, es geht um Damen, es geht aber auch um Frauen. Mal wieder. Frauen mit schlechtem Charakter, darüber kann man sich in Liedern ja immer beklagen. Passend dazu, und das war wirklich der Klops des Jahres, bedienen sich die Lazy Cowgirls erstmalig des Blueses, falls das richtiges Deutsch ist. When You Fall (You Fall Alone) ist so ein Knaller. Schön akustisch, schön gediegen und schon beim ersten Aufschlag voller Weisheit. Todd und seine Jungs beerben hier, sicher nicht ganz unbewußt, die Stones in ihrer Exile On Main Street / Beggars Banquet-Phase, also fragt man sich direkt, ob Drogen im Spiel waren. Dazu der verstärkte Einsatz von Slide-Gitarren, die ich ja generell mehr liebe als Oralsex, weil: Die Wirkung ist die gleiche, aber man spart einfach Geld. Stellenweise klingt´s gar wie Lynyrd Skynyrd zu ihrer Sumpfzeit. Hm. Ich befürchte fast, daß man diese (und die andere natürlich auch) Platte nur gutfinden kann, wenn man wirklich Ahnung von guter Musik hat.
Rank Outsider ist eine reife Platte, ein spätes Alters-Meisterwerk, das die Roots dieser begnadeten Band nicht leugnet, sich aber auch hörbar dem gemeinsam ersparten Kamin nähert. Was negativ erscheinen mag, wenn man die falschen Assoziationen hat. Nicht mein Problem.
Wer sich gern das Herz rasieren läßt, in Melancholie badet und dazu aber noch gern beim schönsten Akkord eine Wand zertrümmern möchte, ist herzlich eingeladen, hiermit zum Neandertaler in Love zu werden.