DIDI AND HIS ABC BOYS
DAS WAR EIN HARTER TAG
(BRD 1964/65)

In den wilden Sechzigern hatten Teens und Twens letztmalig die Gelegenheit, schöne Sachen zu tun, die Jahre später aussterben sollten. Zum Beispiel sich mittwochs einen neuen Ford 17 M zu kaufen und am Samstagabend gepflegt einen im Saalbau abzutanzen . Und da zum Beispiel einer Band zuzuschauen, die vernünftig angezogen ist (Anzüge).
Didi And His ABC Boys aus Berlin (West) gehörten wohl zu den bestgekleidesten Bands der Erde (Ost). Deshalb ließ man sie zu ihrer großen Zeit sogar im Vorprogramm der Rolling Stones, von Bill Haley und Little Richard spielen. Mit guten Leistungen schraddelte sich die Kapelle in die Beat-Oberliga und war fortan nun auch auf Schallplatte zu hören. Doch die Konkurrenz war groß. Deutschland war das englische Memphis. Während es die Kollegen wie Rattles, Lords, German Blue Flames aber immerhin mit schlechtem Englisch zu einigen, wenigen Hits brachten (Kamm on ant sing, Pur Boi, Peusen Ei wie), brachten es Didi und seine Jungs mit schlechtem Deutsch zu gar nichts.
Meist verprügelten sie Beatles-Songs. Aus Can´t Buy Me Love wurde Nicht eine Mark, aus Tell Me Why Sei mir treu wie Gold und aus I Should Have Known Better das brillante Ja, das hätt ich wissen müssen.
Das wahr ein haar Teer Tag, ick bin sou mudeh und ka oh... - das klang schon unverschämt anders als die ganzen Gruppen, die meine Oma in Gelsenkirchen-Erle stellvertretend für 50 Millionen Deutsche natürlich nie verstand, da sie im Radio immer in Ausländisch sangen.
Als die Musik experimenteller und die Drogen besser wurden, schlug Didi Zill eine Solo-Karriere als Bravo-Fotograf und Produzent (u.a. The Teens) ein. Zwischendurch sah man ihn noch als Sänger mit Rock´n´Roll Made in Germany in der ZDF-Hitparade, wo er mit offenem Glitzer-Blouson auf blanker Brust und Günter-Netzer-Matte ein gewaltiges Manifest für ungebremste Lebensfreude setzte.
Gut, daß es Videos und Platten gibt, die manch leuchtenden Moment unvergänglich machen.
Die LP Das war ein harter Tag ist ein 1989 erschienener Sampler für Leute, die anstatt sich auf Börsen die alten Singles der Band lieber eine Eigentumswohnung kaufen wollen. Alright, Das ist Musik und Daraus mach ich kein Geheimnis: Ich werd nie eine andere lieben lauten ein paar der insgesamt 14 Titel und man kann erahnen, daß so eine Musik relativ wenig mit dem Haß und dem Pathos der heutigen Straßenrocker zu tun hat. Recht so. Was schert mich ´ne scheiß Regierung, wenn ich unglücklich verliebt bin?
Was mich betrifft, habe ich seit mindestens zwanzig Jahren eine herzlich-platonische Affäre mit dem Saalbau am Wedauer Markt. Jeden Tag geh ich ihn besuchen, streichel seine vernarbte Haut, betrachte ehrfurchtsvoll die holzvertäfelten Außenwände des heutigen Restaurants, in dem man Sauerbraten für 4 Euro 50 bekommt. Früher war dieser Saalbau wie viele andere Saalbauten auch ein Tempel für Beat-Musik, Randale und ungewollte Schwangerschaften. Wie gerne wäre ich damals dabei gewesen, hätte den The Wanderers, den The Vikings und den Die Rebels beim Covern zugehört und meinen Pilzkopf geschüttelt!
Auch aus diesem Grund bin ich vor drei Jahren in die Nachbarsiedlung gezogen, die -ebenso wie Alt-Wedau- unter Denkmalschutz steht und in der alles mindestens vierzig Jahre alt ist. Das Komische ist nur, daß hier alle rote Haare haben und ich gar keine! Einer von dieser Brut war vor ein paar Jahren mal mein Arbeitskollege. Er hieß, wie sollte es in diesem Frontbericht auch anders sein, Didi. Genau wie der Sänger der ABC Boys, na, was für ein Zufall aber auch! Didi war ein feiner Kerl. Er gehörte nicht zu dem aufgeblasenen Pack wie Gert Klapczik, der sich damit brüstete, daß er einen Bekannten hätte, der sich selber einen blasen könnte, nein: Mein Didi war ein bescheidener, kluger junger Mann mit der natürlichen, ungezwungenen Ausstrahlung eines John Boy Walton. Eine ehrliche Haut, einer mit Manieren, ein Überbleibsel aus der guten alten Zeit.
Eines Tages allerdings wuchs der schüchterne Fuchs über sich hinaus und zwar an jenem Morgen, als in der Firma die neue EDV installiert wurde. Keiner weiß, welcher Gaul ihn da geritten hat. Die Belegschaft sollte probehalber irgendeinen Text eintippen und diesen von einem Monitor zum anderen schicken. Die Männer schrieben irgendso´n Quatsch wie "MSV" oder "Opel-Power", die Frauen beschränkten sich auf Hunde- und Katzennamen.
Didi nicht.
Didi lebte seine naßforsche Phase gnadenlos aus.
Didi schrieb wörtlich "Na, Ihr Granaten! Heute schon gehackt?", drückte auf Enter und verlor im selben Moment seine Gesichtsfarbe. Bißchen blöd für ihn, daß die Kiste ausgerechnet in diesem Moment abstürzte und auch nicht mehr mit sich reden ließ. Nun stand Didis coole Anmache festgemeißelt auf dem Bildschirm, born to tell auch the following generations vom Mißverständnis zwischen Mann und Maschine. Zwei Tage später rückten dann, tätää, doch noch Experten aus Münster an, die zusammen mit hochrangigen Abteilungsleitern forsch zu Didis Monitor schritten und sich erstmal kaputtlachten. Von da an war er vorgemerkt und bei denen, die es nicht besser wußten, als schlimmer Finger verschrien. Das war wirklich ein harter Tag. Ja, das hätt er wissen müssen.
Schon zwei Jahre später hatte Didi einen neuen Job und heute macht er einen zufriedenen Eindruck. Er steht manchmal bei seinen Eltern im Schrebergarten rum und sieht dem anderen Didi immer ähnlicher. Geblieben ist seine eigene Vorstellung von Jugendsprache und Kosenamen. Er nennt mich Honky-Tonky-Man (?), weil ich ihm erzählt hatte, ich würde bei den Clash, die er sowieso nicht kennen würde, Saxophon spielen.
Vielleicht geh ich mal mit ihm im Saalbau ´n Schnitzel essen.

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