ROCKPILE
SECONDS OF PLEASURE
(GB 1980)

Wir waren jung, wir waren wild, wir waren allein zu Haus. Während mein Bruder Peter den schmackhaften Ibu-Kartoffelsnack von Aldi krachend der weiteren Verdauung übergab, genehmigte ich mir als pflichtbewußter Aufpasser ein weiteres Pinnchen Kellergeister-Kindersekt. Vater Tonk und Mutter Tonk hatten an jenem Abend ein Auswärtsspiel und steppten in Özers Tanztreff herum, während daheim im kombinierten Sitz-, Steh- und Wohnzimmer der Fernseher heißlief: Rockpalast-Nacht!
Die zweite im Jahr 1979, die erste für uns Brothers, die wir von Queen, Status Quo und U.K. Subs längst die Schnauze voll hatten. Logisch, war ja auch immer dasselbe: Gitarren, Trommeln und Geschrei.
In dieser Nacht sah ich Rockpile zum ersten mal, als der WDR mit zwei, drei Clips die Umbaupause überbrückte. Ich dachte nur "was für eine Grütze" und vermißte massiv einen Tasten- oder Gitarrengott. Noch in selbiger Nacht erschien mir der relativ unbekannte Prophet Uwe und laberte mich voll. Scheiß Sekt.
Ein Jahr später erschien die erste und einzige Rockpile-LP und ich saß zuhause und hörte die Stranglers. Ich gottverdammter Arsch!
Endlich hatten Dave Edmunds, Nick Lowe und die ganze Mischpoke einen Namen für ihr Baby gefunden, das sie eigentlich bereits auf ihren Soloplatten mehrfach hätten taufen können. Dave Edmunds, vor dem ich mich jetzt gerade verbissen verbeuge, sagte einmal über Rockpile: "Die Geschichte der Band verläuft wie die Geschichte der Beatles, nur rückwärts."
In nahezu identischer Besetzung spielten sie etwa fünf, sechs Alben ein, die dann unter den Namen Carlene Carter, Dave Edmunds, Nick Lowe oder Mickey Jupp veröffentlicht wurden, bis man feststellte, daß diese Soloalben gar keine Soloalben mehr waren. Schon aus steuerrechtlichen Gründen bot sich eine gemeinsame Holdingcompany an und so erschien dann diese Platte, fertig, danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Nun zum Personenkult: Dave Edmunds dudelte bereits im Jahr 1968 mit Love Sculpture den halsbrecherischen Sabre Dance herunter, als wär´s nur ein 12-Takter für Einarmige. Dann rettete er im Laufe der 70er den Rock´n´Roll und beschenkte die Welt mit seiner einzigartigen Woppn-Gitarre, die ungefähr so geht: Woppn woppn djuck djuck. Später gingen unter anderem die Stray Cats zu ihm auf die Schule und noch viel später wurde Sir Dave aus Cardiff als heißester Thronfolger von Roy Orbison und Del Shannon bei den Traveling Wilburys gehandelt.
Stille im Saal.
Leider führt der Punkrockfaktor hier Niedrigwasser. Hm. Tut mir wirklich leid.
Aber was soll´s, Nick Lowe, der sympathische Bassist mit dem appenen Schneidezahn (und Ex-Schwiegersohn von Johnny Cash - na bitte: doch Punk!) produzierte das erste Album der Damned und die haben in ihrem dreißigjährigen Krieg ja auch mindestens zwei gute Lieder gemacht. Ebenfalls mit auf Platte war Billy Bremner, englisches Pubrock-Urgestein und in grauer Vorzeit wohl auch mal bei Ducks Deluxe, ohne die es heute -wie Ihr sicher wißt- keine lauten Punkkonzerte in öffentlich-rechtlichen Gemäuern geben würde. Ich habe Billy The Tit mal 83 im Fernsehn gesehen, Du liebe Güte, als er Rockpile, hier allerdings wieder unter dem Namen Dave Edmunds Band, die ehrlichste und versoffenste Rhythmusgitarre seit Keith Richards schenkte. Heiliger Vater, ich will gar nicht leugnen, daß ich ein Rohr von hier bis Wanne-Eickel bekam: Da stand also ein älterer Herr mit gemütlicher Bierplautze auf der Loreley herum, kloppte und woppte Chuck Berry in die Tüte und zog ein Gesicht wie ´ne Wasserleiche aus dem Duisburger Torf! Unglaublich! Dazu zuckte dieser Rockerbilly immer so herrlich mit den Augen und spätestens bei seiner Imitation einer alten Alkoholikerkrankheit mußte ich einfach meinen Schwanz anpacken. Vierter am Tresen war ein gewisser Terry Williams, von dem auf´m Cover steht, daß er "drums drums drums" spielen würde. Und dann geht er los, der Rock´n´Roll-Overkill auf Rentenbasis, denn bis auf Play That Fast Thing und Fine Fine Fine pogt der Bär im saftigen Mid-Tempo. Er kriegt aber mit, wie der staubtrockene Minimal-Primaten-Boogie Oh What A Thrill die Freudenspucke freisetzt, er sommerlattet zu der grundgütigen, jammerlappigen Schmerzmelodie von Now And Always (zu dem Song heirate ich Dir jede Frau!) und er hört nicht eher auf mit dem albernen Herumgestampfe, bis der Tonarm wieder fest im Sattel sitzt. Ja, Freunde der Nacht, all das passiert, wenn man diese flotte Volks-Beat-Platte hört! Probiert es ruhig aus, etwas Bewegung hat noch keinem geschadet! Kann ja sein, daß wir dann plötzlich alle zu Brüdern und Schwestern werden und nur noch im Gebüsch rumhängen! Den popeligen Rest, der Euch jetzt noch zum Lottogewinn fehlt, besorgt die beiliegende EP, auf der die Herren Edmunds und Lowe die Everly Brothers covern. Na, wenn dat nix is! Wie? Is nix? Lieber Hottentotten-Songs über brennende Ascheimer? Lieber elektrischen Lärm aus dem Froschteich von Bad Münstereifel oder ich könnte auch sagen: Gütersloh?
Lieber Punk, hör mir mal zu: Während Du das liest und vielleicht degeneriert auf Deinem beschissenen WG-Lokus hockst und wahrscheinlich auch noch arbeitslos bist und Dich nur auf meine Kosten am Kacken hältst, aber das wirklich nur mal so am Rande, schwebe ich mit meinem dicken Ding in die nächste Nackt-Bar und erschlage den D.J. mit meiner großen Gurke. Möge also A-Dur die Welt regieren! Please Please Please.

|| nach oben