GRAND FUNK RAILROAD
LIVE ALBUM
(USA 1970)

"Scheiße kann man nicht polieren" sagte Nick Lowe einmal, als man ihn um einen Kommentar zu einer bestimmten Popgruppe gebeten hatte. Das war etwa 1978 und damit bewies er wenig prophetisches Talent, wenn man bedenkt, wie viele Produzenten in der Musikbranche heute dafür bezahlt werden, genau dies zu tun.
Daß man mit seiner Scheiße auch einen anderen Weg einschlagen kann, dokumentierten GRAND FUNK RAILROAD auf ihrem Live-Doppel-Album. Auf den Studio-Platten präsentierten sie zumeist glattgebügelten Biker-Rock und amerikanischen Mainstream-Mist, der sich mit seiner konzentrierten Substanzlosigkeit für die Band zumindest in kommerzieller Hinsicht auszahlte.
Interessanterweise funktionierten ihre Songs aber live. Zumindest, solange am Mischpult ein Mensch saß, der eigentlich Schafe züchtet oder Autos repariert. Etwas besseres konnte dieser Band gar nicht passieren und so sollten sie dem Herrn dafür danken, daß "Engineer" Kenneth Hamann weder ein Gespür, geschweige denn eine Ahnung von dem hatte, was er da überhaupt tat, als er die Tracks für diese Platte mischte. Mit dem Resultat, daß das "Live Album" von GRAND FUNK RAILROAD zu einer der größten Hausnummern des Rock wurde.
Die Platte, aufgenommen am 5. Juli 1970 beim Atlanta International Pop Festival, hat keinen Klang im klassischen Sinne, aber sie dröhnt, sie grollt und sie donnert. Und wie!
Das Trio macht Krach wie eine Horde Büffel, die eine Holzhütte niedertrampelt, an der jedes Brett mit einem Mikrophon verkabelt ist. Es dröhnt. Es grollt. Es donnert. Zwar benutzen sie den herkömmlichen Fuhrpark des Rock, aber die Gitarre bietet lediglich dumpfes Geschraddel und das Schlagzeug raspelt drei Kilometer davon entfernt vor sich hin - das einzige, was man wirklich wahrnimmt, ist der Baß. Und Baß heißt: Ein übersteuertes, weit im Vordergrund stehender Röhr-O-Mat, aus dem permanent coole Läufe herausgebullert kommen. Es sind Geräusche, die irgendwann, vielleicht wenn man die Platte zweihundertmal gehört hat, mit ihren diffusen, schnarrenden Tiefen den Magen ruiniert haben werden. In dieser Synthese von prehistorischem Spiel- und Klangverständnis mutieren die oft schmalbrüstigen Kompositionen zu wahren Monstern, bei denen nicht zählt, ob sie Text, Refrain und Message haben. Der Wert dieser Aufnahmen beschränkt sich auf diesen tiefergelegten Eintopf von Rhythmus, dessen Beat von hypnotisch geschlagenen Bass-Saiten diktiert wird.
Selten hat eine Live-Platte soviel Sinn gemacht wie bei dieser Band, deren Studioproduktionen eher an Disneyland erinnerten. Nun wählten GRAND FUNK RAILROAD erstmals den Weg zurück in die Schlammgrube. Dort gehören sie vermutlich auch hin, aber dort sind sie auch die größten.
Ihr Live Album zeigt eindrucksvoll, daß bei einem nicht visuellen Erlebnis wie dem Hören von Platten zuhause, konzentrierter Krach wichtiger ist als Songs, Image oder Attitude. Zumindest, was GRAND FUNK RAILROAD betrifft.
Für andere Bereiche des täglichen Lebens gelten eigene Maßstäbe. Dort assoziiert man schöne Geräusche zum Beispiel mit dem Öffnen einer Bierflasche, dem Pfeifen der Bronchen beim Inhalieren von Zigaretten und dem Rauschen der Boxen, wenn man die Stereoanlage anmacht.
Die Platte eingerechnet sind das also vier schöne Geräusche. Wenn Sie diese nun miteinander kombinieren, haben Sie den Abend ihres Lebens.

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